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AutorenbildMotorrad Garage

Von Kasachstan nach Usbekistan - Tag 16-21



Montagmorgen starten wir am Kaspischen Meer und fahren die etwa 440 km nach Beineu auf guten Straßen, aber gegen starken Wind, der uns teilweise ganz schön kämpfen lässt. Beim Tanken treffen wir überraschend einige Fahrer, die in ihrem Elektroauto als Teil einer Initiative aktuell auf dem Weg von Schottland zur Expo nach Astana unterwegs sind.

Später kommt es auf einem verlassenen Rastplatz während einer Pause zu einer weiteren interessanten Begegnung: Wir kommen mit einem jungen Mann ins Gespräch, der, zunächst noch ins Gebet vertieft, bald auf uns aufmerksam wird. Spontan lädt er uns zu sich nach Hause ein. Als wir dann einige Stunden später in Beineu ankommen, fahren wir deshalb bei ihm vorbei. Freundlich nimmt er uns direkt in sein Haus auf und lädt uns in die örtliche Koranschule ein. Dort wird gerade die Geburt des Sohnes seines Freundes gefeiert. Zu diesem Anlass werden vor Ort zwei Hammel geschlachtet und anschließend gemeinsam verzehrt. Von dem angebotenen Hammelhirn kosten wir nur, aber die vergorene Kamelmilch trinken wir mit viel Genuss. Besonders mit Kassim, den Vorbeter in dieser Koranschule, kommt es den Abend über zu zahlreichen spannenden Gesprächen über Gott und die Welt. Besonders fällt uns dabei die strenge Hierarchie auf, von der hier immer wieder gesprochen wird. Jeder Mensch soll einen ihm durch Gott zugewiesenen Platz haben. Das erscheint uns zunächst sehr konservativ, aber gleichzeitig wird uns auch erklärt, wie zentral die Liebe zu Mitmenschen und Umwelt ist. Der arabische Islam wird hier als zu aggressiv abgelehnt und es wird als selbstverständlich betrachtet, dass sich Frauen in der Öffentlichkeit unverschleiert bewegen. Dass gegen die auch hier immer weiter um sich greifende Wegwerfgesellschaft und die Gier nach Geld und Macht gepredigt wird, finden wir sehr positiv.

Am nächsten Tag geht es gut ausgeruht die 80 km zur Grenze nach Usbekistan. Die Strecke ist der reinste Horror: Wüste, Schlaglöcher, Staub und viel Verkehr machen für uns das Fahren zur Tortur. Der Grenzübertritt gelingt dafür aber erneut problemlos in nur zwei Stunden. Andere Reisende haben uns vorher von sieben bis acht Stunden Wartezeit an der Grenze berichtet. Auch hier sind alle getroffenen Menschen wieder sehr nett, hilfsbereit und freundlich, aber vieles von dem, was wir vorher für gegeben erachtet haben, scheint hier nicht mehr zu gelten. Einen festen Wechselkurs z.B. gibt es offenbar nicht und der Umtausch findet aus Mangel an Wechselstuben auf dem Schwarzmarkt statt. Dies führt schnell zu ganzen Plastiktüten an Bargeld, denn die 1000 So'm-Scheine sind kaum etwas wert. Gut gewechselt sind 7000 So'm etwa 1 €. Außerdem ist Benzin an Tankstellen kaum zu erhalten, sondern wird von uns ebenfalls auf dem Schwarzmarkt gekauft. Wir haben zum Glück noch vor der Grenze getankt und alle Kanister aufgefüllt, so dass wir problemlos durch die anschließende Wüste kommen. In dieser übernachten wir dann auch. Es ist sehr ruhig, nur der Wind ist zu hören. Unter dem offenen Himmel sind wir ganz allein und es herrscht eine unglaubliche Atmosphäre.

Am nächsten Tag besuchen wir dann einen ehemaligen Hafen am dramatisch geschrumpften Aralsee. Früher gab es hier eine sehr bedeutende Fischindustrie, von der heute nur noch ein Schiffs-friedhof zeugt. Das durch Menschen herbeigeführte Austrocknen des Sees und das damit einhergehende Sterben aller Lebensformen (versalzter Boden) ist sehr bedrückend. Kurzfristig muss ich hier auch mein Lenkkopflager reparieren, was aber problemlos gelingt. Unser Versuch, eine Unterkunft im Ort zu finden, scheitert jedoch. Das Hotel ist eher eine Baustelle und hat keinen Wasseranschluss, deshalb zelten wir dann doch wieder.


Donnerstag brechen wir, nachdem Leo eine große Tüte Bargeld (200€ zu 1,5 Millionen So'm getauscht) auf dem Markt besorgt hat und wir damit unsere Motorräder wieder auf dem Schwarzmarkt betanken konnten, mit dem Ziel Xiva auf. Die Straße dorthin ist extrem abwechslungsreich, von gut bis miserabel sind alle möglichen Straßenzustände dabei. Dazu kommt ein sehr stürmischer Wind, der uns die Gluthitze ins Gesicht peitscht. Für diese Anstrengung belohnt uns aber die Ankunft in Xiva: Die Stadt scheint den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht entsprungen zu sein!

Bis Sonntag wollen wir hier bleiben, einen Tag für das Entdecken der Sehenswürdigkeiten nutzen und einen Tag für Reparaturen und Wartungsarbeiten an den Motorrädern. Schnell ist ein tolles Hotel gefunden. Nach dem Einchecken steigen wir als erstes über wackelige Leitern und vorbei an Vogelkäfigen auf das Dach unserer Unterkunft. Von hier genießen wir den Ausblick, stoßen mit kühlem Bier auf unser Abenteuer und die bisher gefahrenen 5800 km an und lauschen dem Gebetsruf des Muezzin. Ein Großteil unserer Reisestrecke liegt bereits hinter uns. Nun wollen wir hauptsächlich nur noch kleinere Abschnitte fahren und uns mehr Zeit für Sehenswürdigkeiten, Land und Leute nehmen. Hier ist es heiß und kein Tropfen Regen ist in Sicht. Dadurch ist der Himmel immer blau und alles ist sehr staubig. Die Herzenswärme und das offene Interesse der Menschen an uns und unseren Maschinen ist toll und macht uns richtig Spaß. Wir erleben, anders als es oft in Reiseberichten beschrieben wird, keine Schikanen oder Polizeikontrollen und treffen nur immer wieder freundliche Menschen.

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